Was ist die kalte Progression?
- Yasin Oez
- 22. Nov. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Die kalte Progression tritt auf, wenn steigende Einkommen aufgrund von Lohnerhöhungen, die lediglich die Inflation ausgleichen, zu einer höheren steuerlichen Belastung führen, ohne dass der Steuerpflichtige real mehr Kaufkraft hat.
Beispiel:
Ein Arbeitnehmer erhält eine Gehaltserhöhung von 3 %, die die Inflation ausgleicht. Durch die progressive Besteuerung steigt sein Steuersatz jedoch an, sodass sein Nettoeinkommen nur minimal oder gar nicht ansteigt.

Mechanismus hinter der kalten Progression
Die kalte Progression entsteht durch die Kombination von:
Inflationsausgleich: Realeinkommen bleibt stabil, das Bruttoeinkommen steigt jedoch.
Progressiver Steuertarif: Höhere Einkommen werden mit einem höheren Steuersatz besteuert.
Fehlender Anpassung des Steuertarifs: Bleibt der Einkommensteuertarif unverändert, wird die Inflation nicht berücksichtigt.
Ergebnis: Der Arbeitnehmer zahlt mehr Steuern, obwohl sein Einkommen real nicht steigt.
Auswirkungen der kalten Progression in der Entgeltabrechnung
1. Höherer Steuerabzug
Durch Lohnerhöhungen können Mitarbeiter in einen höheren Steuerbereich rutschen, was dazu führt, dass ein größerer Anteil ihres Bruttogehalts durch Steuern und Sozialabgaben aufgezehrt wird.
2. Kommunikation mit Mitarbeitern
Mitarbeiter könnten ihre Gehaltserhöhung als unzureichend empfinden, wenn der Effekt der kalten Progression nicht verstanden wird. Entgeltabrechner sollten in der Lage sein, diese Zusammenhänge klar zu erklären.
3. Betriebliche Lohnpolitik
Unternehmen müssen bei Lohnverhandlungen berücksichtigen, dass inflationsbedingte Anpassungen nicht automatisch zu mehr Netto führen. Entgeltabrechner können hier beratend tätig werden.
4. Berechnung von Zusatzleistungen
Bei der Gestaltung von Boni oder steuerfreien Leistungen ist es sinnvoll, den Effekt der kalten Progression zu berücksichtigen, um den Nettoeffekt für Arbeitnehmer zu maximieren.
Relevanz für die Entgeltabrechnung
Entgeltabrechner sollten folgende Punkte beachten:
Tarifanpassungen
Änderungen in den Einkommensteuertarifen, wie sie durch steuerpolitische Maßnahmen (z. B. Abmilderung der kalten Progression) erfolgen, müssen zeitnah in den Abrechnungssystemen berücksichtigt werden.
Lohnsteuerjahresausgleich
Arbeitnehmer können durch den Jahresausgleich geringfügig entlastet werden. Entgeltabrechner sollten darauf hinweisen, dass sich hier Korrekturmöglichkeiten ergeben können.
Präzise Berechnungen
Beim Vergleich von Brutto- und Nettolohnentwicklung sollten die Effekte der kalten Progression immer einbezogen werden.
Maßnahmen gegen die kalte Progression
Politische Korrekturen
Der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit Maßnahmen ergriffen, um die kalte Progression zu mindern, beispielsweise durch:
Anpassung des Grundfreibetrags: Erhöhung des steuerfreien Einkommens.
Verschiebung der Tarifgrenzen: Anpassung an die Inflation.
Praktische Maßnahmen im Unternehmen
Zusatzleistungen statt Lohnerhöhung: Steuerfreie Sachzuwendungen oder Zuschüsse (z. B. zu Fahrtkosten) sind eine Möglichkeit, den Effekt der kalten Progression zu umgehen.
Individuelle Beratung: Arbeitnehmer sollten über die Auswirkungen der kalten Progression und mögliche Strategien zur Steueroptimierung informiert werden.
Fazit: Kalte Progression im Fokus der Entgeltabrechnung
Für erfahrene Entgeltabrechner ist die kalte Progression mehr als nur ein steuerrechtliches Phänomen – sie beeinflusst die Abrechnungspraxis und die Wahrnehmung von Lohnanpassungen durch Arbeitnehmer. Um Mitarbeiter und Arbeitgeber optimal zu unterstützen, sollten Sie die Mechanismen der kalten Progression verstehen, mögliche Gegenmaßnahmen kennen und deren Auswirkungen korrekt in der Abrechnung abbilden.